In Deutschland wurde nach der Wende ein grossdeutsches Eisenbahngleis
eingebaut, dessen planimetrische Form einen ideellen Kreis beschreibt.
Will ein Reisender auf dem Schienenweg zum Beispiel von Düsseldorf
nach Chemnitz gelangen, so wird er von der Deutschen Bahn auf eben
diesem grossdeutschen Schienenkreis mitgenommen. Ihre Züge ziehen
ihn vorbei an den wunderlichsten Ortschaftsschildern. Hamm (Westf.),
Haste, Helmstedt(-Blues), Köthen.
Meister essen in Dortmund Ham,
In Bochum ist man noch ein Mann
Namen wie Kruppstahl
Und in Mühlheim (Ruhr) stehen die Trümmer der Firma Mannesmann.
Der Schienenkreis verweigert jeden direkte Weg von anachb, er ist von
einer Ründe als hätte in Picasso höchstselbst von Hand
auf die Pläne der Gleisbauer gezeichnet.
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Ich sitze in der zugeigenen Gastronomie
und betrachte durch die grossen Fenster das wilde Land. Die monotone
Richtung der Zentrifugalkraft bewirkt, dass mein Mageninhalt
asymmetrisch verdaut wird. Ähnliche physikalische Phänomene
würde man bei den Blutdruckverhältnissen in meinem Kopf
beobachten, würde man sie beobachten.
Die Radien sind immens und ich bin mir der herrschenden
Fliehkräfte nur nebelhaft gewahr. Ich fühle mich ein wenig
an die Fünfhundertmeilenrennen in Indianapolis
zurückversetzt. In meinem Lotus 56 #60 war an der B-Säule
eine Helmbefestigungsschraube angeschweisst, die dem Helm und somit dem
Hals die Schleuderkräfte stahl.
Als einer in den Tag spät berufener, entscheide ich mich für
ein Frühstück und habe augenblicklich die Qual der Wahl zwischen einem
halben Dutzend Frühstücke. Eines unterschiedlicher als das
andere. Einmal mit frisch gepresstem Orangensaft, einmal mit
Braunschweiger Mettwurst. Einmal mit Frühstückszerealien
einmal mit Graubrot und Gipfeli.
Was als einzige Zutat allen Frühstücken anhaftet wie
Pestkrause, ist Philadelphia Frischkäse. Ich muss unweigerlich an
Bruce Springsteen denken. Auch wenn ich nicht genau weiss
warum, bin ich mir meiner sicher, dass ich beim Essen nicht an den
prolligen Boss-Gitarristen aus Jersey denken möchte und prompt vergällt es mir ein wenig den Appetito.
Ich stücke trotzdem früh und die Zeit im Zug verfliegt im Flug.
In Karl-Marx-StadtChemnitz
ist bereits alles wieder eingerenkt und bedrohlich beim Alten. Die
Innenstadt ist im höchsten Grad austauschbar. In der
Fussgängerzone stehen sich die Labelläden auf den Füssen
herum und machen höchstens Platz für obskure
Telefongesellschaften die ihre Mobilfunkkunden über die
hochglänzenden oder hell leuchtenden Ladentische ziehen.
Neu (für mich wenigstens) gibt es jetzt in solch genormter Umgebung einen Kleiderladen in den man als Mann getrost
hineingehen kann ohne sich vorher bei der Suche nach dem Weg zur
Herrenabteilung zum Obst machen zu müssen.
Bei Hennes & Mauritz war man sich diesbezüglich immer sicher und
vor dem Eintreten bei Chicoree hielt mich bis heute immer die Angst zurück, in
einen kulinarisch bedeutungslosen Kaffeeersatz zu treten. Jack and Jones
heisst der Laden und lässt keine Unsicherheiten mehr zu -
respektive: keine Fragen offen. Der Name ist Programm. Wenn nicht
für Jack dann doch wenigstens für John. Diesen Laden kann
Mann
getrost betreten, und weiss, dass die Hemden von rechts geknöpft
werden und die richtige Kragenweite haben. Jack and Jones ist der
mannesmannwordene Flagshipstore für Väter der Klamotten, der
John Holmes der Herrenausattler.
Schade eigentlich nur, dass es bei Jack and Jones nur karierte Hemden und
Unterhosen gibt, bei denen die Ärmel bereits hochgescrollt sind.
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Sich so langsam in Urlaubsstimmung trinken, tun sich TTH .
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D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r .ç h (247)